
Die grundsätzliche Schwierigkeit bei Privatinsolvenzen ist die Bewertung der unterschiedlichen Interessengewichtungen. Schuldner hoffen auf einen schnellen wirtschaftlichen Neuanfang, Gläubiger möchten ihren Waren- bzw. Dienstleistungseinsatz möglichst umfangreich erstattet wissen. Der erste Weg führt dazu häufig über einen Inkassodienstleister, der die offene Forderung realisiert und nötigenfalls absichert. Mit fast einem Dutzend Anpassungen am bestehenden Insolvenzrecht von 1999 wird dieser Interessenkonflikt nicht ausgeräumt, wesentliche Anpassungen sorgen aber für eine Annäherung. Die wichtigsten Neuerungen sind dabei folgende:
Abschaffung des Bankenvorzuges
Bis dato genossen Banken, die naturgemäß immer die älteste Forderung gegen einen Schuldner hatten, ein Vorzugsrecht bei Gehaltsabtretungen. Das bedeutete in der Vergangenheit, dass alle anderen Gläubiger mit ihren offenen Forderungen hinten anstehen mussten, bis die Forderungen der Bank bedient oder jedenfalls anteilsmäßig bedient waren.
Diese Regelung fällt nun weg und alle Gläubiger eines Schuldners werden gleichzeitig aus dem pfändbaren Anteil seines Gehaltes bedient. Diese Regelung bedeutet eine Stärkung der Rechte aller Gläubiger mit berechtigten Ansprüchen.
⇒ Gläubiger kommen früher zu mehr Geld
Frühere Arbeitsaufnahme des Schuldners
Nun sind Schuldner verpflichtet, sich Arbeit zu suchen und zwar schon ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dadurch wird nicht nur der Zugriff auf Pfändungsanteile durch Gläubiger eher möglich, auch aus sozialpädagogischer Sicht ergibt die Verschärfung durchaus Sinn: Der Schuldner, der sich (in den meisten Fällen) selbst in die Situation einer Privatinsolvent manövriert hat, muss sich auch selbst wieder daraus befreien.
⇒ Schuldnerengagement wird früher eingefordert
Pfändungsbeschränkung für Mietgenossenschaftsanteile
Dies ist tatsächlich im Interesse aller, auch der Gläubiger. Sich eine (neue) Arbeit zu suchen und damit seine in Schieflage geratenen Finanzen in Ordnung zu bringen, gestaltet sich leichter, wenn die eigene Homebase als Rückzugsort erhalten bleibt. Schuldnern wird so nicht komplett der Boden unter den Füßen weggezogen und die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Neuanfang werden bestmöglich geschaffen. Stabile Lebensumstände von Schuldnern bedeuten also auch einen Gewinn für deren Gläubiger, weil die Chancen für eine Sanierung der Schuldnerfinanzen steigen.
⇒ Schuldnerlebensgrundlage gesetzlich abgesichert
Verkürzung der Wohlverhaltensperiode
Die dramatische Verkürzung dieser Periode bringt für Gläubiger Vor- und Nachteile. Einerseits wurden im alten Zeitraum höhere Tilgungsquoten von 50% und mehr erreicht, einfach, weil Schuldner mehr Zeit hatten, ihren Schuldenstand abzubauen. Dies war für Gläubiger insofern erfreulich, weil sie zumindest – wenn auch über mehrere Jahre – einen guten Teil ihrer offen Forderung zurückerhielten. Auch der finanzerzieherische Aspekt der längeren Wohlverhaltensperiode trug seinen Teil zur moralischen Rehabilitierung des Schuldners bei.
Auf der anderen Seite sind Schuldner, die die 35%-Hürde doch meistern, früher wieder in der Lage, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Gesetzesanpassung würdigt also ein hohes Eigenengagement von Schuldnern, sodass auch nur solche Schuldner von der Dreijahres-Regelung profitieren, die echtes Interesse am Schuldenabbau zeigen. Wenn solche Schuldner, die eine hohe Zahlungsmoral über drei Jahre bewiesen haben, wieder am wirtschaftlichen Leben teilnehmen können, kann dies einen Mehrwert für die Volkswirtschaft bedeuten. Offene Rechnungen werden dann konsequent beglichen.
⇒ Wer sich Mühe gibt, wird belohnt
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