Minus mal Minus – Handlungsmoralische Prämissen im Inkasso

Help_optiErgibt Minus mal Minus Plus? Ist unmoralisches Handeln gegen vorangegangene unmoralische Handlungen gerechtfertigt, um die Moral wieder herzustellen? Welche Mittel sind geeignet, um das Gleichgewicht zu wahren? Gerade die Inkassobranche sieht ihre Maßnahmen und sich selbst schnell in der Kritik. Grund genug, sich auch auf unserem PNO Blog mit dem Thema Moral im Forderungsmanagement auseinanderzusetzen.

 

Schutzpatron der Geprellten

Inkassodienstleister bieten die Realisierung offener Beträge für Gläubiger (Mandanten) an, die sich anders nicht (mehr) zu helfen wissen. Jeder Beitreibung eines offenen Betrages geht eine rechtsgeschäftliche Historie voran: Verkäufer leistet, Kunde zahlt nicht, Verkäufer mahnt, Kunde ignoriert, Verkäufer wendet sich hilfesuchend an Inkassodienstleister. So oder so ähnlich verlaufen alle Fälle, in denen Inkassobüros hinzugezogen werden.

Inkassomandanten haben also allesamt eine Leistung erbracht, für die aber nicht bezahlt wurde. Insofern werden sie um ihr gutes Recht (§433 BGB), sprich die Entlohnung für ihre Leistung, gebracht. Durch den Zahlungsausfall entsteht also ein moralisches Ungleichgewicht. Um doch noch zu erhalten, was ihnen von Rechtswegen zusteht, wenden sich die Gläubiger an einen Inkassodienstleister. Dieser nutzt seinerseits verschiedene Maßnahmen, um die offene Forderung einzuziehen und an den geprellten Gläubiger durchzuleiten.

Der Schuldner, das Opfer

Schuldner bekommen folglich den schwarzen Peter nicht zugeschoben, sondern haben ihn durch ihr schlechtes Zahlungsverhalten selbst gezogen. Gemeint sind hier freilich nicht diejenigen Schuldner, die tatsächlich nur eine offene Rechnung übersehen und auf die erste Mahnung hin sofort zahlen. Die Kritik richtet sich gegen Schuldner, bei denen der Zahlungsausfall Methode hat, die also absichtlich und mit Vorsatz Rechnungsbeträge nicht bezahlen. Sie handeln gewiss unmoralisch und verstoßen nicht nur gegen das Prinzip Pacta sunt servanda (lat. Verträge sind einzuhalten), sondern nehmen auch den Nachteil ihres Gegenübers billigend in Kauf. Die Abwesenheit von Moral zeigt sich ferner im mangelnden Unrechtsbewusstsein sowie der fehlenden Kompetenz zur Verantwortungsübernahme. Viele Inkassodienstleister erleben solche Szenarien tagtäglich und erweitern ihr Dienstleistungsspektrum unwillkürlich um eine sozialpädagogische Valenz.

Moralische Ausgleichsinstanz

Alle Tätigkeiten, die ein Inkassobüro betreibt, sind entsprechend auf den Ausgleich dieses moralischen Ungleichgewichts durch Begleichung der offenen Rechnung gerichtet. Das Ziel aller Inkassobestrebungen ist also unfraglich moralisch. Aber sind es auch die Methoden?

Der Inkassodienstleister tritt demnach also als Ausgleichsinstanz auf.

Schwarze Schafe im Fokus

Zentrale Werkzeuge seriöser Inkassodienstleister sind schriftliche Mahnungen, telefonische Nachfragen beim Schuldner und ggf. die Zusammenarbeit mit einer Rechtsanwaltskanzlei. Schlagen die vorgerichtlichen Maßnahmen nicht an, leiten Inkassobüros in Rücksprache mit ihren Mandanten das gerichtliche Mahnverfahren ein und stellen einen Mahnantrag. Die üblichen und einwandfreien Inkassomaßnahmen lassen darüber hinaus allen Schuldnern zu jedem Zeitpunkt die Gelegenheit, zu widersprechen. So ist gewährleistet, dass keine Übervorteilung stattfindet.All dies sind absolut legitime und unbedingt moralisch verantwortbare Mittel, um Schuldner zum Ausgleich ihrer Verbindlichkeiten zu bewegen. Auf der Kehrseite stehen dagegen unseriöse Vertreter der Inkassobranche, die beispielsweise unangemeldet beim Schuldner auftauchen, bewusst bedrohlich auftreten und das Negativbild des gewissenlosen Schuldeneintreibers für sich nutzen. Dergestalt Geschäftsmethoden sind jedoch nicht nur unseriös, sondern auch strafbar, weil sie einen eklatanten Eingriff in die Privatsphäre von Schuldnern darstellen. Sie können den Tatbestand der Nötigung erfüllen. Daher sind diese Praktiken selbstverständlich höchst unmoralisch. Sie führen unweigerlich zu der Frage:

Lässt sich das eine Unrecht durch ein zweites Unrecht ausgleichen?

Die Antwort lautet hier ganz deutlich Nein. Wer nämlich mit unlauteren Methoden gegen Schuldner vorgeht, exponiert nicht nur seine eigenen Werte, sondern handelt auch gegen den immanenten Auftrag, einen Ausgleich zu schaffen, dem sich jeder seriöse Inkassodienstleister verpflichtet fühlt.

Mediativ ans Ziel

Im sog. Mediativinkasso besitzen moralische Werte naturgemäß einen hohen Stellenwert. Wenn sich Inkassodienstleister auf die Fahne schreiben, sich als Vermittlungsinstanz zwischen Schuldner und Gläubiger einzusetzen, müssen Prämissen moralischen Handelns im Vordergrund stehen. Integration und das gemeinsame Erarbeiten einer Lösung stellen insofern nicht nur einen konkreten Mehrwert für Inkassomandanten und die Schuldnerseite gleichermaßen dar. Sie stehen auch im Einklang mit humanistischen und aufklärerischen Ansprüchen. Nicht umsonst stellen Transparenz und Anthropozentrismus zentrale Werte rational-liberaler Gesellschaften dar.

Auge um Auge lässt die Welt erblinden(Gandhi)

Moralische Balance

Der moralische Sinn hinter allen Inkassotätigkeiten ist der Erhalt bzw. die Wiederherstellung von Balance. Wird ein säumiger Zahler durch das Wirken eines Inkassoanbieters dazu veranlasst, seine Schulden zu begleichen, ist das Verhältnis zwischen ihm und seinem Gläubiger wieder ausgeglichen. Die Zahlung von Schulden ist daher auch für Schuldner ein moralischer Befreiungsakt. Die Erfahrungen aus der Schuldnerkommunikation zeigen dies überdeutlich.Nach der Vollzahlung, der Vereinbarung und dem Einhalten eines Ratenzahlungsplans oder einer erfolgreichen Teilzahlungsverhandlung fühlen sich Schuldner in aller Regel befreit. Ihnen ist eine sprichwörtliche Last von den Schultern genommen. Allein die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Problem führt zu einer erheblichen Erleichterung. Auch hierin liegt ein zentraler Wert der moralischen Inkassotätigkeit.

Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man.(Franz Kafka)

Balance bedeutet im Inkasso also nicht nur den Ausgleich von Konten bzw. die Durchleitung einer offenen Forderung, sondern auch einen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlich-moralischen Fortschreiten. Die Anstrengungen im professionellen Forderungsmanagement gleichen auch Beziehungen, Ansichten und persönliche Befindlichkeiten nach moralischen Werten aus.

Fazit

Das Ziel von Inkasso ist praktisch die Zahlungsrealisierung, moralisch die Schaffung eines Ausgleichs und die Wiederherstellung von Balance. Die Methoden dafür müssen sich daher ebenfalls streng an moralischen Gesichtspunkten orientieren, damit modernes Forderungsmanagement nicht hinter seinem eigenen Wertesystem zurückbleibt. Das Gros der deutschen Inkassodienstleister arbeitet streng nach dieser handlungsmoralischen Prämisse.
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