Aufhebung des Formularzwangs beim PfÜB (=Pfändungs- und Überweisungsbeschluss)

 

Help_optiSeit dem 13. Februar ist der Beschluss zur Aufhebung des Formularzwangs für Anträge auf den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Bundesgerichtshofes in Kraft. Die Antragsstellung wird dadurch erheblich erleichtert. Zudem stärkt die Entscheidung die Rechte von Gläubigern erheblich.

Gläubiger sind vom Formularzwang entbunden, soweit das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist.

Die zentrale Frage, mit der sich der VII. Zivilsenat des BGH auseinandersetzen musste, lautete: Beeinträchtigt das bis dato vorgeschriebene Formular das verfassungsmäßige Recht auf Rechtsschutz? Wie der Beschluss zeigt, wurde diese Frage mit Ja beantwortet. Die Konsequenz dieser Einschätzung ist eine notwendige Verfahrensanpassung in der gerichtlichen Praxis im Umgang mit der Bearbeitung von Anträgen auf den Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen. Für Rechtssuchende bedeutet das, dass das entsprechende Formular nicht mehr wegen Formfehlern bzw. angeblicher Formfehler zurückgewiesen werden kann. „Die Verbindlichkeit des Formulars wird eingeschränkt, jedoch nicht gänzlich aufgehoben“ heißt es wörtlich in der Beschlussbegründung.

Das entsprechende Formular kann also noch verwendet werden, sofern es geeignet ist, den konkreten Fall zu erfassen. Ist dies nicht der Fall, darf auf Anlagen, wie Forderungsaufstellungen, erläuternde Schreiben, etc. verwiesen werden.

Die Hintergründe dieser Neuregelung zeigt der Präzedenzfall.

Was war passiert?

Im konkreten Fall ging es um die Beschwerde einer Gläubigerin, die zwei titulierte Forderungen nebst Zinsen mit einer Summe von 282,77€ via Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beitreiben wollte. Nachdem das entsprechende Formular für ihr Anliegen ungeeignet war, verwies sie auf verschiedene Anlagen, in denen sie unter anderem die Forderungsaufstellungen ihres Falles verwendete. Dieses Vorgehen wurde vom zuständigen Gericht jedoch moniert, da das Formular nicht korrekt ausgefüllt worden war. Im Ergebnis wurde der Antrag aufgrund formulartechnischer Mängel abgelehnt.

Das Problem dabei war nun, dass das vorgeschriebene Formular eben nicht geeignet war, den Fall der Gläubigerin zu erfassen. Sie betrieb die Vollstreckung zweier Forderungen, was sich im Formular nicht darstellen ließ. Den Verweis auf eine separate Forderungsaufstellung, der die Umstände der Antragsstellung verdeutlichte, genügte dem zuständigen Gericht nicht. Es wies den Antrag wegen Formmängeln ab. Daher folgte die Klage beim BGH. Dieser stellte – im Sinne der Klägerin, sprich der Gläubigerin – umfassende Mängel am bestehenden Formular fest. Es sei „an mehreren Stellen unvollständig und zum Teil widersprüchlich sowie missverständlich.“ Zudem weise es in Teilbereichen rechtliche Unzulänglichkeiten auf. Die Erläuterungen zum Ausfüllen des Formulars in dem Internetaufritt des Bundesministeriums der Justiz […] seien diesbezüglich unzureichend. Beispielhaft führt der Beschluss eine Liste auf, die rund ein Duzend solcher Mängel explizit benennt:

  • Unklarheiten in der Forderungsaufstellung
  • Uneindeutig formulierter Verweis auf den Umgang mit Anlagen
  • Missverständlicher Umgang mit bestehenden und laufenden Zinsansprüchen
  • ungeeignet, mehrere Hauptforderungen zu erfassen
  • Teilzahlungen und gestaffelte Zinsen werden nicht erfasst
  • Das Formular berücksichtigt nicht den Vorsteuerabzugsberechtigungsstatus des Gläubigers
  • Mängel in der eineindeutigen Zuordnung von Forderungen durch Drittschuldner, daraus folgt eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis von Rechtssuchenden
  • Unklarer Umgang mit Forderungen aus flexiblen Bausparverträgen
  • Keine Unterscheidung zwischen Bausparsumme und Bauspardarlehen
  • Formularumfang nicht einschränkbar, auch wenn verschiedene Seiten obsolet für bestimmte Fälle sind
  • Keine Unterscheidungsmöglichkeit, ob nur Pfändungs- oder nur Überweisungsbeschluss beantragt wird
  • Keine Möglichkeit, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu beantragen
  • Keine Eintragungsmöglichkeit für Inkassokosten

Die Mängelliste veranschaulicht die geringe Praxistauglichkeit des Formulars. Die Vorteile, die sich durch die Abschaffung des Formularzwangs für Gläubiger ergeben, sind augenscheinlich. Jetzt können sämtliche denkbaren Forderungskonstellationen umfassend und korrekt in Anträgen auf Pfändungs- oder Überweisungsbeschluss erfasst werden.

Die Signalwirkung des Beschlusses geht jedoch über die Vereinfachung der Vollstreckungspraxis für Gläubiger hinaus. Er ist nämlich ein echtes Stück Demokratiefortschritt, weil er verfassungsmäßige Bürgerrechte nicht nur theoretisch stärkt, sondern diese auch praktisch greifbar macht.

Exkurs: Das juristische Spannungsfeld

Der Beschluss bewegt sich im ständigen Spannungsfeld zwischen der verfassungsmäßig garantierten Gewährleistung eines verlässlichen Rechtschutzes und dem Anspruch, gerichtliche Verfahren zu beschleunigen. Für Letzteres sind Formulare eigentlich eine sinnvolle Überlegung: Rechtspfleger, sprich die Gerichtsbeamten, die die Formulare auf den Schreibtisch bekommen, können Ihre Eingaben zügig auf Vollständigkeit prüfen. Davon profitiert die Bearbeitungsgeschwindigkeit, weil die Grundlagenentscheidung, ob ein Formular korrekt ausgefüllt ist oder nicht, schnell gefällt werden kann. Dem gegenüber steht das hohe Gut des Rechtsschutzes. Bürger eines demokratischen Staates haben nämlich nicht nur die Chance, sondern das Recht, ihre juristischen Interessen zu wahren. Dies ist im Artikel 2 des deutschen Grundgesetzes verankert.

Das Antragsformular für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses war nun aber derart missverständlich, kompliziert und unvollständig, dass es einen eklatanten Nachteil für Gläubiger mit titulierten Forderungen darstellte. Nachdem eben dieses Formular aber zwingend zu verwenden war, kam es zu einer Vielzahl von Zurückweisungen seitens der zuständigen Gerichte. Kurz: bei der alten Regelung biss sich die bürokratische Katze in den Schwanz – ein weitgehend ungeeignetes, jedoch alternativloses Formular war verpflichtend für die Eingabe von Anträgen zu verwenden, die aufgrund eben jener formalen Mängel immer wieder abgelehnt wurden. Der BGH Beschluss macht mit diesem Irrsinn nun ein Ende.

Fazit

Der BGH-Beschluss stärkt Gläubigerrechte und passt die juristische Praxis an Lebensrealitäten an, was begrüßenswert ist. Zugleich wird auf Seiten der Gerichte der Bearbeitungsaufwand ansteigen, was zu einer verlängerten Fallbearbeitung führen wird. Dass verfassungsmäßige Rechte die Vermeidung bürokratischen Mehraufwandes überwiegen, ist rechtsstaatlich notwendig. Wie die Gerichte den kommenden Aufwand bewältigen, kann jedoch nur die Zukunft zeigen.

Veröffentlicht unter Gläubigerservice
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