Schadensminderungspflicht – wenn Schuldner zahlen und Gläubiger trotzdem warten müssen

Help_optiDie gesetzlich vorgeschriebene Schadensminderungspflicht ist im einschlägigen § 367 (1) BGB geregelt und führt in der Inkassopraxis nicht selten zu Reibungspunkten. Viele Gläubiger fragen sich, warum nicht bereits bei der ersten Rate Geld bei ihnen ankommt, obwohl der Schuldner schon verschiedene Teilzahlungen geleistet hat.

Das liegt an der gesetzlich vorgeschriebenen Schadensminderungspflicht. Diese sieht kurz gesagt vor, dass alles, was die Situation des Schuldners verschlimmern würde, zuerst von ihm abzuwenden ist. Die (Teil)zahlungen, die ein Schuldner leistet, werden also zuerst dazu aufgewendet, die Positionen der Gesamtforderung zu bedienen, die die Lage des säumigen Zahlers verschlimmern würden, wenn sie nicht bezahlt würden. Zu solchen Positionen gehören neben Inkasso- und Gerichtskosten auch die Verzugszinsen. Die Hauptforderung eines Gläubigers kommt rechtlich gesehen erst danach und wird daher zuletzt bedient, weil sie ja immer gleich groß bleibt und daher keinen Kosten- bzw. Schadenszuwachs verursacht. Im einschlägigen § 367 (1) BGB heißt es: Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet.

Alle wachsenden und schädlichen Kosten haben Vorrang!

Was bedeutet Gesamtforderung?

Als Gesamtforderung wird die Summe aller Forderungsbestandteile bezeichnet, die im Laufe der Realisierung zur Hauptforderung hinzukommen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um:
  1. die Hauptforderung, also die geschuldete Summe, mit deren Realisierung der Gläubiger einen Inkassodienstleister beauftragt.
  2. die Nebenforderungen(en), also diejenigen Gebühren, die ein Inkassodienstleister für seine eigene Leistung erhebt, beispielsweise vorgerichtliche Mahngebühren.
  3. die Gerichtskosten & gerichtlichen Gebühren, also Kosten, die vom Gericht beispielsweise für die Mahnantragsstellung erhoben werden. Zu dieser Kostenkategorie zählen unter anderem auch Gerichtsvollzieherkosten.
  4. die Verzugszinsen, die sich aus dem Zahlungsverzug des Schuldners ergeben und für jedes Verzugsjahr (per anno=p.a.) auf die Hauptforderung sowie Teile der Gesamtforderung zu zahlen sind.
Die Gesamtforderung stellt also eine insgesamt verhältnismäßig komplexe Rechnung dar. Das liegt vor allem daran, dass verschiedene Positionen dynamisch verrechnet und verzinst werden, sich also verändern. Grundsätzlich gilt aus Schuldnersicht: je schneller und umfangreicher bezahlt wird, desto geringer fallen Zusatzkosten aus. Auch die Gläubigerseite profitiert von dieser Zahlungsempfehlung, weil die Durchleitung der realisierten Beträge dann schneller erfolgt (und Ärger und Unstimmigkeiten in der Beziehung zwischen dem Gläubiger und seinem Inkassodienstleister vermieden werden können).

Die Gesamtforderung ergibt sich aus verschiedenen Positionen und wächst, je länger keine Zahlung erfolgt.

Verwendungszweck

Die dargestellte Reihenfolge der Zahlungsverwendung gilt dabei jedoch nur, wenn der Schuldner keinen anderslautenden Verwendungszweck angibt. Diesen kann er nämlich frei bestimmen. Schuldet beispielsweise der Kunde eines Fitnessstudios insgesamt vier Monatsbeiträge (Januar bis April) und zahlt dann einen unter Angabe des Verwendungszwecks Monatsbeitrag März, muss die Zahlung auch auf diesen Zweck gebucht werden. Wird kein spezieller Verwendungszweck angegeben, werden Zahlungen immer auf die jeweils unsicherste, lästigste oder älteste Schuld gebucht. Einschlägig ist hier §366 (2) BGB: Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.

Schuldner können selbst bestimmen, welche Position sie wann bezahlen, die gesetzliche Reihenfolge wendet aber weiteren Schaden von ihnen ab!

Akontozahlungen

In der Praxis hat es sich bewährt, Akontozahlungen an wartende Inkassomandanten zu leisten. D.h., stellt der beauftragte Inkassodienstleister eine verlässliche Regelmäßigkeit der Zahlungseingänge des Schuldners fest, kann er Teilbeträge der Hauptforderung an seinen Mandanten weiterleiten. Dabei handelt es sich aber immer um eine individuelle Regelung zwischen Inkassodienstleister und Gläubiger, auf die kein Anspruch besteht. Genaugenommen gehen Inkassobüros damit ein Risiko ein, weil ja nicht gesagt ist, dass die Ratenzahlungsbeträge auch weiterhin regelmäßig fließen. „Dennoch sind Akontozahlungen ein gutes Mittel, um alle am Inkassofall beteiligten Parteien in den Lösungsprozess einzubinden und natürlich um die Wartezeit bis zur endgültigen Realisierung zu verkürzen“, sagt Alfons Winhart, Vorstand der PNO inkasso AG. Vor allem moderne Ansätze im Forderungsmanagement, wie beispielsweise Mediativinkasso, leben von der vertrauensvollen Integration aller Beteiligten.

Verlässliche Zahlungskontinuität, situationskonforme Akontozahlungen und angemessene Geduld führen zuverlässig zu einem fruchtbaren Miteinander.

Fazit

Der Gesetzgeber betrachtet die Abwendung neuen bzw. größeren Schadens von Schuldnern als schützenswerter als die schnelle Begleichung berechtigter Forderungen von Gläubigern. Inkassodienstleister sitzen daher im Verhältnis zwischen den beteiligten Parteien zwischen den Stühlen. Durch transparente Aufklärung von Gläubigern sowie individuelle Vereinbarungen über Akontozahlungen festigen sie ihre Vermittlerposition und ermöglichen den maximal möglichen Schutz aller Interessen.
Veröffentlicht unter Gläubigerservice
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